Scharlach ist nicht immer gleich Scharlach

Die Begrüßungs-Zettel an den Eingangstüren der KiTa`s (Schulen etc.) heißen Kinder und Eltern herzlich willkommen und tragen beim Betreten der Räumlichkeiten zum Wohlbefinden der Familien bei. Meistens zumindest! Denn oft verheißen sie nichts Gutes und gerade im Winter haben verschiedene Erreger Hauptsaison.

Dann erblickt man anstelle der Willkommens-Schilder gerne auch mal Aushänge über die aktuell grassierenden Infekte, quasi eine bunte Tüte „Keime im Angebot“ (siehe unten). Nicht selten hat man dabei die Wahl zwischen „Pest und Cholera“ und würde am liebsten gleich das Weite suchen. Sinnbildlich gemeint natürlich, denn im Vergleich zu diesen beiden Erkrankungen erscheinen die KiTa-Keime am Ende dann doch recht harmlos. Schließlich heilen sie in der Regel ohne besondere Folgen ab.

Weil beim Thema Scharlach jedoch oft von Folgeerkrankungen gesprochen wird und ein vermeintlicher Scharlach nicht immer auch ein Scharlach ist, habe ich bereits vor drei Jahren einen gesonderten Beitrag dazu geschrieben.

 

Aktuelle Situation:

Seit letztem Herbst registrieren internationale Gesundheitsorganisationen in einigen europäischen Ländern eine Häufung schwer verlaufender Streptokokken-Infektionen bei Kindern unter zehn Jahren. Dabei scheint eine Koinfektion, d.h. eine gleichzeitige Infektion mit bestimmten Viren, wie z.B. RS-/Grippe-/Masern- oder Windpocken-Viren, das Risiko einer schweren Streptokokken-Infektion zu erhöhen. Warum dies nicht neu ist und womit es zusammenhängen könnte, erfahrt ihr im aktualisierten Beitrag.

Ich selbst hatte schon einige Male eine Streptokokken-Infektion, doch bisher nur einmal (im Kindesalter) auch einen Scharlach. Wie kann das denn sein?

Ich komme gleich darauf zurück. Doch fangen wir von vorne an.

Die Mandeln selbst waren schon einmal Thema auf meinem Blog. In diesem Beitrag hier schrieb die liebe Susanne (HNO-Ärztin) über das Thema Mandelentzündungen (Tonsillitiden). Sie berichtete, welche Funktion die Mandeln haben, wie sich Entzündungen äußern, in welchen Fällen eine antibiotische Therapie erforderlich ist und wann man über eine (Teil-)Entfernung der Mandeln nachdenken sollte.

Eine spezielle Form der Mandelentzündung hatte sie darin auch schon angesprochen, die sog. Streptokokken-Tonsillitis oder Streptokokken-Angina. Diese Form der Mandelentzündung wird durch spezielle Bakterien verursacht und kommt bei Kindern relativ häufig vor. Von Scharlach spricht man, wenn die Mandelentzündung mit weiteren, typischen Symptomen einhergeht.

 

 

Allgemeines zu den Mandeln:

In den Mandeln befindet sich eine Ansammlung von lymphatischem Gewebe, das eine wichtige Rolle beim „Lernen“ des Immunsystems (mehr dazu auch hier) und der Erregerabwehr spielt.

Insgesamt gibt es vier Mandeln:

  • eine Rachenmandel (Tonsilla pharyngealis)
  • zwei Gaumenmandeln (Tonsilla palatina)
  • eine Zungengrundmandel (Tonsilla lingualis)

Die beiden Gaumenmandeln liegen links und rechts in einer Schleimhautfalte zwischen den Gaumenbögen. Es sind die Mandeln, die ihr im Spiegel sehen könnt, wenn ihr den Mund öffnet. Die Rachenmandel ist in der Regel nur bei einer Nasenspiegelung sichtbar und liegt am Gaumendach. Die Zungenmandel befindet sich weit hinten am Zungengrund.

Definition Scharlach:

Scharlach ist eine akut auftretende Kinderkrankheit, die mit einer eitrigen Mandelentzündung, einem typischen Hautausschlag und meist mit noch weiteren charakteristischen Symptomen einhergeht. Sie gehört zu einer der häufigsten bakteriellen Erkrankung im Kindesalter und tritt bevorzugt bei Kindergarten- und Schulkindern auf. Auch wenn es sich um eine typische Erkrankung des Kindesalters handelt, können auch Erwachsene an Scharlach erkranken.

 

Ursache Scharlach:

Scharlach ist eine Infektionskrankheit, die durch Bakterien verursacht wird, die zur Gruppe der Streptokokken gehören. In diesem Fall ist es der sog. Streptococcus pyogenes.

 

Streptokokken:

Streptokokken sind eine bunt gemischte (=heterogene) Gruppe von Bakterien, die weitverbreitet sind und von der viele unterschiedliche Stämme und Subtypen existieren.

Die Gruppe A Streptokokken (abgekürzt: GAS) verursachen primär eine eitrige Mandelentzündung (Angina tonsillaris oder Tonsillitis; mehr dazu hier). Zur Ausbildung des typischen Scharlach-Hautausschlages kommt es dann, wenn die krankmachenden Bakterien selbst mit einem Virus (sog. Bakteriophagen) befallen sind und zur Bildung eines speziellen Giftstoffes (Toxin) führen (GAS Scharlach). Dies ist wichtig, um zu verstehen, warum nicht jede Streptokokken-Infektion mit dem für Scharlach typischen Hautausschlag einhergeht.

Da es nicht nur verschiedene Subtypen der Bakterien gibt, sondern auch noch unterschiedliche Toxine gebildet werden können, ist im Laufe des Lebens eine Mehrfachansteckung mit unterschiedlichen Verläufen (Angina mit Ausschlag, Angina ohne Ausschlag etc.) möglich. Eine Immunität existiert nämlich nur gegen das bereits durchgemachte Toxin.

Darüber hinaus können die GAS auch schwere Krankheitsverläufe verursachen = invasive Gruppe A Streptokokken (iGAS). Auch andere Vertreter der Streptokokken, wie zB der Streptococcus pneumoniae (= Pneumokokken), können -neben harmlosen Erkrankungen- zu schweren Krankheitsverläufen führen. Mehr dazu findet ihr in diesem Beitrag

 

Vorkommen der Erreger / Übertragung:

Streptokokken kommen weltweit vor. Auch wenn wir sie gut behandeln können und viele Menschen mit ihnen besiedelt sind, ohne selbst krank zu sein, sind Streptokokken weltweit noch immer gefürchtet. Schließlich zählen Streptokokken der Gruppe A bei den Infektionskrankheiten von Kindern und jungen Erwachsenen immer noch zu den zehn häufigsten Todesursachen weltweit.

Sie sind sehr ansteckend, so dass man sich über kleinste Tröpfchen beim Husten oder Niesen leicht anstecken kann. Ich weiß übrigens aus eigener Erfahrung, wie schnell es geht (z.B. bei der Untersuchung kranker Kinder). Auch über die Benutzung von Spielsachen oder den Schnuller-Tausch (sog. Schmierinfektion) können die Bakterien übertragen werden.

 

 

Symptome Scharlach:

1-3 Tage nach der Ansteckung (=Inkubationszeit) kommt es zu einem typischen Krankheitsbild mit:

  • Fieber,
  • (starken) Halsschmerzen,
  • Schluckbeschwerden,
  • Erbrechen,
  • häufig auch Bauch- oder Kopfschmerzen
  • Abgeschlagenheit
  • geschwollenen Lymphknoten im Halsbereich
  • Zunge zunächst weiß belegt; im Verlauf dann glänzend rot mit deutlich sichtbaren Geschmacksknospen (= Himbeer- oder Erdbeerzunge, siehe unten)

 

 

Einige Tage später zeigt sich ein

  • charakteristischer Hautausschlag:
  • meist nicht juckend
  • viele, kleine, dicht beieinander stehende rote Flecken, die leicht erhaben sind und sich anfühlen, wie feines Schleifpapier
  • Beginn meist am Körperstamm (oft Leistenregion, Innenseite der Oberschenkel und Achselbereich), von dort auf den restlichen Körper ausbreitend
  • Ausschlag spart allerdings die Region um den Mund und das Kinn herum aus (periorale Blässe) = sog. Milchbart
  • Abblassen des Ausschlages meist nach ungefähr einer Woche
  • in der 2.-4. Krankheitswoche häufig Schuppung der Haut an den Fingerkuppen und/oder Handflächen sowie Zehenkuppen und/oder Fußsohlen

Auch wenn der Ausschlag recht typisch ist, beweist er alleine die Diagnose noch nicht. Schließlich gehen viele andere Erkrankungen mit ähnlichen Hautausschlägen einher. Insbesondere können Virusinfekte oder auch allergische Reaktionen einen ähnlichen Hautausschlag verursachen.

 

Verlauf:

Ein Scharlach kann sowohl schwer, d.h. mit starken Halsschmerzen, hohem Fieber und einem ausgeprägten Hautausschlag, als auch mild verlaufen. In diesen Fällen können die typischen Symptome nur gering ausgeprägt sein, was die Diagnose bisweilen erschwert.

 

Diagnostik Scharlach:

Wichtigstes Ziel bei der Diagnostik ist, neben der allgemeinen körperlichen Untersuchung, grundsätzlich die Klärung der Frage, ob es sich tatsächlich um eine bakterielle Infektion handelt, oder doch eher um eine viral bedingte. In den meisten Fällen wird eine Mandelentzündung nämlich durch Viren verursacht und profitiert dementsprechend nicht von einer antibiotischen Therapie. Somit ist es bei der Untersuchung wichtig, herauszufinden, ob eine antibiotische Therapie erforderlich ist. Hierzu muss die Wahrscheinlichkeit für eine bakterielle Infektion ermittelt werden, denn nur diese spricht auf eine antibiotische Therapie an. In der ärztlichen Praxis werden hierzu verschiedene Scores verwendet. Anhand der Symptome und dem Alter des Patienten wird damit die Wahrscheinlichkeit für eine bakterielle Infektion abgeschätzt. Ein Rachenabstrich und Schnelltest zum Streptokokkennachweis (siehe unten) kann die Diagnose einer bakteriellen Tonsillitis sichern. Eine unnötige Antibiotikagabe (und somit die Gefahr von Nebenwirkungen oder Resistenzentwicklungen) kann auf diesem Wege vermieden werden.

Ein positiver Schnelltest bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass eine bakterielle Tonsillitis vorliegt. Denn die Bakterien können in der Mund- und Rachenflora vorliegen, ohne einen Krankheitswert zu haben! Daher sollte die Entscheidung über eine antibiotische Therapie nur in Zusammenschau von Krankheitsbild UND Abstrich durch einen erfahrenen Arzt erfolgen, welcher eine genaue Diagnose anhand des typischen Krankheitsbildes meist auch ohne Schnelltest stellen kann.

 

 

Therapie Scharlach:

Antibiotisch:

Bei nachgewiesener bzw. sehr wahrscheinlicher Streptokokken-Tonsillitis bzw. dem Gesamtbild Scharlach ist Penicillin das Antibiotikum der Wahl. Bei Unverträglichkeiten oder wiederholten Infektionen wird euch der Arzt entsprechend beraten und ggf. ein anderes Antibiotikum verordnen. Wichtig ist die durchgängige Einnahme des Antibiotikums über den empfohlenen Zeitraum, auch nach Abklingen der Symptome.

Positive Effekte der antibiotischen Therapie sind eine Verkürzung der Ansteckungsfähigkeit (auf 24 Std. nach Beginn der Einnahme), ein rascheres Abklingen von Symptomen und Fieber (dies ist meist innerhalb von 1-2 Tagen der Fall) und vermutlich auch eine geringere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Komplikationen.

Symptomatisch:

Eine Schmerzmittelgabe kann gerade zu Beginn der Erkrankung erforderlich sein.

Hilfreich sind außerdem Allgemeinmaßnahmen, wie z.B.:

  1. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie körperliche Schonung.
  2. Die Verwendung von Rachensprays, Lutschtabletten oder Spüllösungen kann im Einzelfall ebenfalls helfen.
  3. Als Hausmittel bieten sich Mundspülungen mit lauwarmem Salzwasser, Kamillenextrakt, Aloe-Vera-Extrakt oder mit verdünntem Apfelessig an.
  4. Halswickel (Kartoffel-, Quark- oder Zwiebelwickel, Wickel mit Heilerde).
  5. Das Trinken und/oder Gurgeln mit Kamillen-, Salbei- , Thymian- oder Lindenblütentee

 

 

Komplikationen Scharlach:

Als Komplikation kann es im Rahmen einer Infektion zu Entzündungen des Mittelohres (=Otitis), der Lunge (Pneumonie) oder der Nebenhöhlen (Sinusitis) kommen.

Eine seltene, jedoch potenziell lebensbedrohliche Form bzw. Komplikation, kann der sog. Wundscharlach sein. Dabei dringen die Erreger über Wunden ein und können sich, ebenso, wie beim seltenen septischem Verlauf, über die Blutbahn im ganzen Körper ausbreiten und somit zu einer Blutvergiftung (= Sepsis) führen.

Immunogene Folgekrankheiten:

Weitere, mittlerweile zum Glück, seltene Komplikationen der Streptokokken-Tonsillitis sind immunogene Folgekrankheiten, wie das Akute Rheumatische Fieber (RF) oder die akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis (GN). Beide Erkrankungen können einige Wochen nach der Infektion, über die Bildung von Antikörpern, zu Entzündungsreaktion an den Gelenken/Herz/Haut (RF) oder zu einer Entzündung der sog. Nierenkörperchen (GN) führen. Seit Einführung des Penicillins sind diese Erkrankungen in unseren Breitengraden erfreulicherweise selten geworden.

 

Wie lange ansteckend?

Sofern die Infektion antibiotisch behandelt wird, besteht in der Regel 24 Stunden nach Beginn der Therapie keine Ansteckungsgefahr mehr. Wird die Infektion nicht behandelt, kann sie bis zu drei Wochen lang ansteckend sein.

 

Vorbeugung:

Wie bei allen Erregern, ist der beste Schutz, um einer Erkrankung vorzubeugen, das Einhalten der allgemeinen Hygienemaßnahmen. Dazu gehören:

  • regelmäßiges Händewaschen mit Seife
  • Husten oder Niesen in ein Einmaltaschentuch oder in die Ellenbeuge
  • Kontakt zu Erkrankten meiden
  • im Falle einer Erkrankung KiTa und enge Kontaktpersonen informieren

 

Anmerkung: Alle medizinischen Beiträge, die ich zu gesundheitlichen Themen auf meinem Blog verfasse, dienen ausschließlich der Information. Sie ersetzen in keiner Weise den Arztbesuch bei gesundheitlichen Beschwerden.

 

Hat es euch oder eines eurer Kinder auch schon mal erwischt und wenn ja: was hat bei euch am besten gegen die Schmerzen geholfen?

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und hoffe, dass ihr von allen Viren und Bakterien verschont bleibt.

 

Bleibt gesund und und munter

 

Eure

Snjezi

 

 

Share Tweet Pin It +1

You may also like

Mandelentzündung – Tonsillitis

Posted on 24. November 2019

Previous PostScabies

No Comments

Schreibe einen Kommentar

en_USEnglish