Ohrenschmerzen bei Kindern: eine fiese Qual; auch bei Erwachsenen
Ohrenschmerzen: Eines der „Top-Themen“ in meinem Alltag als Kinderärztin:
Kennt ihr das: euer Kind wird nachts wach, weint und klagt über Ohrenschmerzen? Oder es ist noch so klein, dass es nicht darüber sprechen kann, aber es fasst sich wiederholt ans Ohr, ist quengelig und hat vielleicht auch noch Fieber? Dann ist es auch in diesem Fall sehr wahrscheinlich, dass das Kind Ohrenschmerzen hat.
Ohrenschmerzen:
Ohrenschmerzen gehören nicht nur zu den „Top-Themen“ in meinem kinderärztlichen Alltag, sondern aus meiner Sicht auch mit zu den fiesesten Schmerzen überhaupt. Gerade Kleinkinder sind häufig betroffen. Warum das so ist und was ihr dagegen tun könnt, erfahrt ihr im folgenden Beitrag.
Ohrenschmerzen bei Kindern:
Der Grund für die erhöhte Häufigkeit bei Kleinkindern liegt zum einen darin, dass ihr Immunsystem noch unausgereift ist und sie generell anfälliger für Infekte sind. Ihr Immunsystem muss erst noch lernen, wie es mit Keimen umzugehen hat (weitere Informationen über die „Infektanfälligkeit“ im Kleinkindalter findet ihr hier). Zum anderen ist gerade bei Kleinkindern der Verbindungsgang zwischen dem Mittelohr und dem Nasen-Rachen-Raum, die sog. Tuba-Eustachii oder auch Ohrtrompete genannt, noch sehr kurz und weit.
Dadurch können Keime aus dem Nasen-Rachen-Raum schneller bis zum Mittelohr aufsteigen und zu einer Entzündung und Schwellung der Schleimhäute führen.
Durch die Schleimhautschwellung in der Ohrtrompete wird der wichtige Durchgang zum Mittelohr verengt und somit die „Belüftung“ des normalerweise mit Luft gefüllten Hohlraumes (=Paukenhöhle) im Mittelohr behindert.
Als Folge dessen sammelt sich dort, wo eigentlich Luft sein sollte, vermehrt Flüssigkeit an und dient als perfekter Nährboden für die Vermehrung von Keimen. Die Folge ist zunächst ein sog. Paukenerguss.
Paukenerguss:
Der Paukenerguss kann akut im Rahmen eines Infektes oder aber chronisch z.B. bei den sog. Adenoiden = „Polypen“ auftreten.
Als Folge der Sekretansammlung hören die Kinder relativ schlecht (ausnahmsweise tatsächlich mal das Hören im eigentlichen Sinne und nicht das auf-die-Eltern-Hören) und haben ein Druckgefühl im Ohr.
Auch wir Erwachsenen kennen dieses Gefühl, wenn es im Ohr „knackt“ und es scheint, als würde man durch Watte hören. Meist wird die überschüssige Flüssigkeit im Mittelohr nach Abklingen des Infektes vom Körper selbständig abtransportiert und die Symptome verschwinden. Wenn sich jedoch Keime in der Flüssigkeit angesiedelt haben und vermehren, kann es zur Ausbildung einer akuten Mittelohrentzündung kommen. Mediziner bezeichnen diese als Otitis media.
Otitis media = Mittelohrentzündung
Meist handelt es sich dabei um eine akute Otitis media = AOM. Es gibt jedoch auch chronisch verlaufende Mittelohrentzündungen, jedoch sind diese deutlich seltener. Sie kommen z.B. als Folge wiederholter Entzündungen vor oder aber durch einen traumatisch bedingten Trommelfellriss (z.B. nach einem Schlag auf das Ohr oder einem Explosionstrauma).
Häufigkeit Otitis media
Mehr als 80% der Kinder erkranken in den ersten Lebensjahren an einer Mittelohrentzündung. Die meisten sogar mehr als einmal. Am häufigsten betroffen sind Kinder zwischen 6 Monaten und 6 Jahren.
Ursachen Otitis media:
- Viren
In den meisten Fällen treten Mittelohrentzündungen bei oder nach Infekten der oberen Luftwege = Erkältungen auf. Wie bereits im Beitrag über „Infekte bei Kindern“ erwähnt (siehe hier) sind die meisten dieser Infekte durch Viren bedingt. Einige Viren können dabei direkt eine AOM verursachen, oder aber die zusätzliche Ausbreitung von Bakterien begünstigen= Superinfektion.
- Bakterien
Häufigste Erreger eine bakteriell bedingten AOM sind Pneumokokken und Haemophilus influenzae. In seltenen Fällen, wie z.B. bei einigen Kinderkrankheiten (Masern) können die Erreger auch über die Blutbahn ins Mittelohr gelangen und zur sog. Masern-Otitis führen.
Faktoren, die das Auftreten von Mittelohrentzündungen begünstigen:
- vergrößerte Rachenmandeln (= Adenoide = „Polypen“)
- Allergien
- Immundefekte
- Passivrauchen (!)
- Dauergebrauch von Schnullern (!)
Symptome Otitis media:
Einer AOM geht, wie bereits erwähnt, oft ein Erkältungsinfekt (Husten, Schnupfen etc) voraus. Meist beginnt die AOM zunächst mit einem schmerzfreien „Druck-oder Völlegefühl“ im Ohr. Anschließend kommt es (oft nachts und in Intervallen) zu:
- stechenden, pulsierenden Schmerzen im Ohr
- ggf. Fieber (mehr zu „Fieber bei Kindern“: siehe hier)
- ggf. Kopfschmerzen
Gerade bei Babys und Kleinkindern verläuft eine AOM jedoch oft ohne die „klassischen“ Symptome!
- Babys sind oft weinerlich, schlafen schlecht(er), verweigern die Nahrung oder fassen sich gehäuft ans Ohr.
- Kleinkinder projizieren Schmerzen häufig in den Bauch, so dass man nicht gleich an eine AOM denkt.
Komplikationen Otitis media:
- Trommelfellriss, wobei dieser eher eine Folge als eine Komplikation darstellt. Wenn es durch die Entzündung und die Flüssigkeitsansammlung zu einem erhöhten Druck im Mittelohr kommt, kann es gelegentlich zu einem Einriss im Trommelfell kommen. Meist lassen die Schmerzen dann schlagartig nach (weil der schmerzhafte Druck wegfällt) und es kommt zu einer Entleerung von Flüssigkeit (z.B. Eiter) aus dem betroffenen Ohr und einer Hörminderung. Meist ist das dadurch entstandene Loch klein und heilt in der Regel folgenlos ab. Wenn der Defekt grösser ist oder über längere Zeit Flüssigkeit aus dem Ohr fließt, sollte ein (HNO-)Arzt aufgesucht werden. Die Möglichkeit eines Trommelfellrisses im Rahmen einer AOM ist unter anderem der Grund dafür, warum man bei Ohrenschmerzen ohne vorherige ärztliche Abklärung KEINE Flüssigkeiten (Tropfen, „warmes Öl“ (früher ein „Hausmittel“) o.ä.) in den Gehörgang geben sollte!
- chronischer Verlauf
- einseitige Hörstörung
- Mastoiditis: gefürchtete Komplikation einer Mittelohrentzündung, in deren Folge es zu einer Ausbreitung der Infektion auf die Schleimhaut des sog. Warzenfortsatzes (Processus mastoideus) kommt. Anzeichen können sein: sich verstärkende Ohrenschmerzen, Hörminderung, erneutes Fieber, schlechtes Allgemeinbefinden, erneuter Ausfluss aus dem Ohr, Schmerzen bei Druck auf den Warzenfortsatz, abstehendes Ohr (bedingt durch eine Schwellung des Warzenfortsatzes). Die Folgen einer Mastoiditis können u.U. lebensbedrohlich sein, daher sollten Kinder mit entspr. Auffälligkeiten sofort einem Kinderarzt vorgestellt werden!
Diagnose Otitis media:
Die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt. Das heißt der Arzt untersucht das Ohr mit einer entsprechenden Lampe. Dabei begutachtet er nicht nur das Trommelfell, sondern auch den äußeren Gehörgang. Außerdem verschafft er sich (meist schon zu Beginn der Untersuchung) einen Überblick über das Allgemeinbefinden des kleinen Patienten und ob neben weiteren körperlichen Symptomen evtl. auch Hinweise für eine der möglichen Komplikationen vorliegen.
Therapie Otitis media:
– Vorbeugende Maßnahmen gegen Ohrenschmerzen, Paukenergüss, Mittelohrentzündungen:
Gesunde Abwehrkräfte, die ihr durch eine ausgewogene Ernährung, viel Flüssigkeit, ausreichend Schlaf und genügend Bewegung an der frischen Luft erreichen könnt, sind die beste Vorsorge gegen Infekte im Allgemeinen. Die Zutaten für den „Allheilmittel“-Tee meiner Oma und die Wirkung der darin enthaltenen Heilpflanzen findet ihr hier. Die Geschichte meiner Kindheit und die besondere Verbundenheit zu meiner Oma könnt ihr bei Interesse hier nachlesen.
Außerdem sind wichtig:
- ausreichender und kompletter Impfschutz
- die Ohren an kalten und windigen Tagen warm/bedeckt halten
- auf eine freie und ungehinderte Nasenatmung achten (vor allem nachts)
- den Oberkörper im Schlaf evtl. etwas hochlagern (vermindert das Druckgefühl im Ohr)
- kein Dauergebrauch von Schnullern
- kein Passivrauchen
- bei Verdacht auf Polypen (Infektneigung, nächtliches Schnarchen etc.) oder eine Hörstörung: Vorstellung beim HNO-Arzt zur weiteren Abklärung
– gute und günstige „Hausmittel“ bei Ohrenschmerzen beim Kind:
- Zwiebelsäckchen:
Die Zwiebel ist ein wahres allround-Talent und wirkt unter anderem entzündungshemmend und antibakteriell. Für ein entsprechendes Säckchen könnt ihr eine Zwiebel kleinschneiden und in die Mitte eines Küchenhandtuches geben. Entweder könnt Ihr anschließend die Enden zusammenbinden und das Säckchen so auf das betroffene Ohr legen (das Kind liegt dabei am besten auf der Seite). Ihr könnt die Zwiebelstückchen auch in ein dünneres Tuch (Mullbinde o.ä.) geben und es anschließend mit einem Stirnband oder Schal am betroffenen Ohr „fixieren“ und somit etwas länger oder auch über Nacht wirken lassen. Wenn das Kind Wärme als angenehm empfindet, könnt Ihr das Zwiebelsäckchen vorher leicht erwärmen (z.B. auf einer warmen Heizung). Einziger kleiner Nachteil des Zwiebelsäckchens: die meist sehr gut wirksamen ätherischen Öle der Zwiebel riecht man noch Tage später. 🙂
- Wärme (nur dann, wenn es vom Kind als angenehm empfunden wird):
z.B. aufgewärmtes Körnerkissen; bei größeren Kindern evtl. auch eine Rotlichtlampe, allerdings nur unter Aufsicht!
– Allgemeine Maßnahmen bei beg. Otitis media:
- wichtig: das Kind sollte keine Schmerzen haben! Daher am besten frühzeitig ein Schmerzmittel (z.B. mit dem Wirkstoff Ibuprofen) geben
- bei gleichzeitig bestehendem Schnupfen: abschwellende Nasentropfen über einen begrenzten Zeitraum
- bei Fieber: fiebersenkende Medikamente mit dem Wirkstoff Ibuprofen oder Paracetamol, weitere Maßnahmen: siehe auch Beitrag über „Fieber bei Kindern“ hier
Meist bessern sich die Symptome bereits durch diese Maßnahmen. Auf eine antibiotische Therapie kann dabei häufig verzichtet werden; zumal die auslösenden Keime oft Viren sind (gegen die Antibiotika wirkungslos sind).
– Spezielle Therapie bei bakterieller Otitis media:
- Im Falle einer bakteriell bedingten Otitis media oder bei sehr kleinen Kindern wird der Kinderarzt vermutlich ein Antibiotikum verordnen. Sollte dies erforderlich sein, ist es wichtig, sich an die Dosierempfehlungen zu halten und die Hinweise auf dem Beipackzettel zu beachten. Wichtig ist außerdem, die empfohlene Therapiedauer einzuhalten.
- Viele Eltern neigen -aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen- dazu, das Antibiotikum abzusetzen, sobald sich die ersten Symptome verbessert haben. Dies ist insofern schädlich, als dass noch Erreger im Körper verbleiben und zu einem erneuten Ausbruch der Erkrankung führen können. Zusätzlich können die Erreger langfristig gegen bestimmte Antibiotika resistent, das heißt unempfindlich werden. Das stellt heutzutage ein immer größer werdendes Problem in der Medizin dar.
- Bei einer Otitis media mit Komplikationen, insbesondere der Mastoiditis ist unbedingt eine rasche und spezielle Therapie (stationär) erforderlich.
Bei allem gilt: ganz viel Liebe und Zuwendung (beste Medizin überhaupt)!
Habt auch ihr bzw. Eure Kinder hin und wieder mit Ohren-Schmerzen zu kämpfen? Was sind Eure beliebtesten Hausmittel? Ich freue mich über Eure Rückmeldungen in den Kommentaren.
Anmerkung: Alle medizinischen Beiträge, die ich zu gesundheitlichen Themen auf meinem Blog verfasse, dienen ausschließlich der Information. Sie ersetzen in keiner Weise den Arztbesuch bei gesundheitlichen Beschwerden.
Bleibt gesund und munter und kommt gut durch die winterliche Infektzeit,
Eure
Snježi
6 Antworten
Wir haben gerade mit der Mittleren eine Mittelohrentzündung überstanden… da es -für sie untypisch- tagelang schmerzte und auch das Fieber nicht weggehen wollte, sind wir am Wochenende noch zum Notdienst. Hatte das Rezept fürs Antibiotikum schon zuhause, aber mussten es Gott sei Dank nicht einlösen. 1-2 Tage später war alles wieder gut. Hat insgesamt aber doch fast 6 Tage gedauert. Ibu, Nasentropfen und Zwiebelsäckchen waren ständige Begleiter!
Hallo liebe Kamatilimi,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Wie schön, dass es eurer Kleinen mittlerweile wieder besser geht und ihr das Antibiotikum gar nicht nutzen musstet.
Viele liebe Grüße von der Küste
Snjezi
Unser Sohn ist erkältet. Husten (richtig fieser Husten zu Beginn) etwas schnupfen, schnell nasenbluten. , Nach einem Besuch Im KH können wir nichts weiter tun als ibu und para im Wechsel zu geben. Die Schmerzen hat er fast ständig. Trotz schmerzsaft im fast 4 sündigen rhytmus. Seit 3 Tagen. Super gemein!
Liebe Mona,
das ist wirklich gemein und ich hoffe, dass es sich in den zwei Tagen seit Deiner Nachricht, endlich gebessert hat. Falls nicht, solltest Du nochmal kinderärztlichen Rat einholen und zur Verlaufskontrolle gehen.
Weiterhin gute Besserung und alles Gute.
Liebe Grüße
Snjezi